Warum Purpose-Gurus daneben liegen und Arbeit Sinn machen muss

Wie Sie sicher auch, war ich hingerissen von Simon Sineks Ted Talk und seinem Golden Circle. Er trat damit die Diskussion los, wie wichtig es für ein Unternehmen ist, einen Sinn zu verfolgen, ein »Why« zu haben, einem »Purpose« zu folgen. Als herausragendes Beispiel nannte Sinek damals das Unternehmen Apple. So als ob Jobs und Wozniak in der Garage in Los Altos die Köpfe zusammengesteckt hätten, um ihr »Why« zu finden, ihren Purpose.

Das ist doch Quatsch.

Sie wollten lediglich einen coolen Computer bauen, der so wenig Teile hat wie nötig, so einfach zu bedienen ist wie möglich und dazu noch erschwinglich. Ihr »Purpose« kam später dazu, nämlich dann, als das Marketing fragte: »Warum machen wir das eigentlich?« Und HR wissen wollte: »Warum sollten Leute denn für uns arbeiten?« Wegen der Produkte? Das macht keinen Sinn. Wegen der Karriere? Wegen des Gehalts?

Macht alles keinen Sinn. Im Jahr 2022 erst recht nicht.

Weder für die Gen Z noch für die Boomer. Unternehmen, die diese Frage nicht beantworten können, erschaffen ein existenzielles Vakuum für ihre Mitarbeitenden.

Also, was macht Sinn im Arbeitsleben? Im Fussball ist es die gegnerische Mannschaft. Beim Tennis die Spielerin gegenüber. In einer Abstimmung im Bundestag die anderen Parteien. Dafür stehen Menschen zusammen und hängen sich rein. Sie wollen nicht unterliegen. Sie wollen nicht verlieren. Sie wollen gewinnen. Wenn man es also genau nimmt, macht alles Sinn, was eine Gegenbewegung ist, ein Gegenangriff.

Jobs, Woz und Apple starteten einen Angriff auf die digitale Gleichschaltung und forderten: »Think different!« Greta und Fridays for Future kämpfen gegen den Klimawandel. UNICEF setzt alles ein für eine Welt, in der jedes Kind in Würde aufwachsen und seine Fähigkeiten entfalten kann.

Genau genommen ist die Frage nach dem Purpose eines Unternehmens also das Bedürfnis nach einer klar formulierten Mission. Purpose bedeutet Zweck, Ziel, Bestimmung. Eine Mission ist die Antwort.

Die Mission ist ein Gegenangriff

Batman gegen The Joker, Rocky gegen Apollo Creed, Indiana Jones gegen Nazis, King George gegen das Stottern, Katniss gegen Präsident Snow.

Je stärker der Druck, der von der anderen Seite kommt, desto stärker ist die Mission. Sie sammelt Energie. Sie vereint ein Team. Sie richtet ein ganzes Unternehmen auf ein Ziel aus. Tatsache ist aber auch, dass sie sich entwickelt.

Einer unserer Mandanten begann sein Business vor 100 Jahren als Fuhrunternehmen. Heute ist seine Mission: »Wir wissen, dass die Rohstoffe der Welt begrenzt sind. Deshalb helfen wir dabei, sie schonend zu nutzen. Damit wir alle auch in Zukunft gut leben können.« In einem mehrstufigen Prozess haben wir das Unternehmen dabei unterstützt, diese Mission zu formulieren und auszurollen.

Wer dort vor 100 Jahren arbeitete, fand seinen Sinn. Nämlich genug Geld zu verdienen, um eine Familie zu ernähren. Und wer heute dort arbeitet, findet ebenfalls seinen Sinn. Egal ob »Purpose«, »Why« oder »Mission«: Man erfindet sie nicht – wie die Gurus glauben machen – sie entstehen aus dem Unternehmen und seiner Zeit heraus.

Autor:

Holger Koenig | Gründer & Inhaber